In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschien am 13.05.2012 ein interessanter Artikel zu Englisch und Deutsch im ÖPNV:
Phänomenologie
The Durchsage
Hallo, Fremdling! (Hello, Strangerling!) Würden Sie es als Service verstehen, wenn ich hier jeden Satz auf Englisch wiederhole? (Would you understand it as a service if I translate every sentence here?) Und zwar in einem halbrichtigen, überformellen Englisch? (That is to say in an halfright overformal English? Nein? (No?) Es könnte aber doch sein, dass sich zufällig ein Amerikaner oder Engländer in diese Zeitung verirrt hätte, der wüsste ja gar nicht, wie er wieder herausfinde!
Andererseits ist unklar, ob Amerikaner oder Engländer wissen, was sie tun sollen, wenn sie in einer Berliner Straßenbahn sitzen und plötzlich ein unsichtbares höheres Wesen sie mit "This tram terminates here, alle change please" anherrscht, aber vielleicht finden es Amerikaner und Engländer auch völlig normal, dass in Deutschland gelegentlich ein Zug damit droht, mit seinen Passagieren Schluss zu machen, wenn die sich nicht sofort umziehen, bitte. (In Moskau fuhr ich mal in einem Reisebus deutscher Rentner an einem Hotel vorbei, und die russische Fremdenführerin sagte: "Hier bringen wir normalerweise kleinere Gruppen um", da hat sich keiner gewundert.)
In München dagegen haben sie niemand Geringeren als Shakespeare gebeten, die Durchsagen in der S-Bahn zu übersetzen: "Alight here for connection to S 1" - so gewählt hat noch nie ein Schaffner mit mir geredet, weder in New York noch in London und auch nicht zwischen Essen und Bielefeld, wo mich dafür neulich der Zugchef immer wieder aufforderte, eine Verbindung zu entsaften, "you can juice from the following connections", sagte er, und "Take cared!", beziehungsweise "Machte gut!", beziehungsweise kann man das gar nicht übersetzen, nirgendwo hin, und das ist überhaupt das allerschönste am ÖPNV-Englisch, wenn sie versuchen, locker zu reden. "Ladies and Gents", rief mal ein Zugabfertiger auf dem Bahnhof Zoo in sein Mikro, der wohl zu viel Boxen geguckt hatte: Und auf dem rechten Bahnsteig, mit einem Gewicht von 3200 Tonnen - der ICE "Vladimir Klitschko".
Man versteht es einfach nicht. Am schlimmsten ist es zwischen Fulda und Leipzig, wenn der ICE im Viertelstundentakt hält und es zu einem wahren Durchsageninferno aus "In a short time we arrive Eisenach" kommt, und kaum hat man Eisenach hinter sich, arrived man ja auch schon Erfurt, und dann Weimar, und immer erst auf Deutsch und dann in der Sprache, die man bei der Bahn für Englisch hält. Einmal saß ich auf der Strecke im Restaurant einer Amerikanerin gegenüber. "Was würden Sie denn sagen?", fragte ich, und sie überlegte kurz und sagte dann: "Next stop Weimar." (Tobias Rüther)